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Wut bei Kindern: Wie Du Dein Kind in einem Wutanfall begleiten kannst

Wut bei Kindern ist eine der größten Herausforderungen, die wir als Eltern zu meistern haben. Oftmals kommen Wutanfälle aus heiterem Himmel und treffen uns mit voller Wucht. Gerne in der Öffentlichkeit, wenn alle Augen auf uns gerichtet sind. Das sorgt natürlich für zusätzlichen Stress vor allem bei uns Eltern.

Was passiert da eigentlich? Und was können wir tun, um unsere Kinder bestmöglich zu begleiten?

Kinder sind vor allem Gefühl.

So sagt es Elke Schicke im Podcast ELTERNgespräch über Wut bei Kindern. Das liegt zunächst einmal an der Hirnreife. Ihr Gehirn ist einfach noch nicht so weit entwickelt, dass sie sich selbst gut regulieren können. Sie brauchen dabei unsere Hilfe.

Wie entsteht bei Kindern eigentlich Wut?

Wutanfälle treten oft in der sogenannten Autonomiephase (früher auch Trotzphase genannt) auf. Etwa zwischen dem 2. und 4. Lebensjahr streben Kinder danach, sich von ihren Eltern abzunabeln. Sie wollen die Dinge selber tun, also schlicht selbstwirksam sein. Das ist ein wichtiger, wenngleich auch unglaublich anstrengender Prozess für alle.

Vor der Wut selbst steht immer ein Gefühl. Vielleicht ist das Kind erschrocken, hilflos, traurig oder auch enttäuscht. Meist handelt es sich um ein unerfülltes Bedürfnis, das diesem Gefühl zugrunde liegt. Und das kann je nach Situation ganz unterschiedlich sein. Vielleicht ist das Kind müde, hungrig, durstig oder überreizt und braucht entsprechend Erholung, Essen, Trinken oder Ruhe.

Der Auslöser eines Wutanfalls ist – und zwar in jedem Alter – ein unerfülltes Bedürfnis.

Ein Beispiel: Nach einem Tag in der Kinderkrippe will das Kind zuhause aus seinem gewohnten Becher trinken. Der ist aber gerade in der Spülmaschine. Das Kind bekommt einen Wutanfall. Das Gefühl, das der Wut vorausgeht, könnte sein: Enttäuschung, Frustration, Erschöpfung. Das zugrunde liegende Bedürfnis könnte sein: Trinken, Selbstwirksamkeit, Ruhe.

Das Kind kann nicht anders.

Dieser Satz kann bei uns Eltern so viel Druck rausnehmen. Wir erwarten nämlich in den allermeisten Situationen von unseren Kleinen ganz schön viel, ohne uns dessen bewusst zu sein.

Hier hilft es, sich klarzumachen, dass bei Wutanfällen zwei Dinge zusammenkommen: Zum einen ist das kindliche Gehirn noch nicht so weit entwickelt (die beiden Gehirnhälften sind noch nicht gut miteinander verknüpft und der regulierende Präfrontalkortex ist noch nicht ausgereift), zum anderen wird bei einem Wutanfall der Teil, der Gefühle kontrollieren kann (Präfrontalkortex), nahezu ausgeschaltet. Anna Brachetti hat das auf ihrem Blog Langsam.Achtsam.Echt detailliert beschrieben.

Was heißt das nun aber ganz konkret für uns als Eltern? Wie gehen wir mit der Wut der Kinder um?

#1 Begleiten statt Bestrafen

Die meisten Eltern haben schon 1000 Dinge ausprobiert und wissen einfach nicht mehr weiter. Viele schicken die Kinder in ihr Zimmer und lassen sie dort allein, bis sie sich beruhigt haben. Das funktioniert in den seltensten Fällen, denn das können kleinere Kinder schlicht noch nicht! Im Gegenteil, wir lassen sie mit ihrem Gefühlssturm allein, den sie noch gar nicht bewältigen können.

Es ist daher sinnvoller, unsere Kinder in ihrer Wut zu begleiten.

#2 Begleiten statt Ablenken

Eine weitere Strategie könnte sein, die Kinder von ihren Gefühlen abzulenken, weil sie eben für alle Beteiligten so schwer auszuhalten sind. Nur nehmen wir ihnen so die Möglichkeit zu lernen, wie sie mit ihrer Wut umgehen können. Wütend zu sein, ist völlig in Ordnung. Gefühle sind Gefühle, sie sind da und dürfen da sein.

Unsere Aufgabe als Eltern ist es, unsere Kinder darin zu begleiten, wie sie mit ihrer Wut umgehen können.

Wie machst Du das im akuten Wutanfall am besten?

Wenn das Kind wütend wird, sollten wir möglichst sofort reagieren. Ich habe hier 5 konkrete Schritte zusammengetragen, wie Du Dein Kind im akuten Wutanfall bestmöglich begleiten kannst:

#1 Auf Augenhöhe gehen und Körperkontakt herstellen

Begib Dich zu Deinem Kind! Geh in die Hocke, leg Deine Hände fest auf seine Schultern oder Arme (sofern das Kind es zulässt), schau ihm in die Augen, und frage es: Was ist los?

#2 Körpersprache und Satzmelodie nutzen

Setze Deine Mimik und Gestik sowie Deinen Tonfall bewusst ein! Das gesprochene Wort kommt nämlich schlicht nicht bei Deinem Kind an. Du kannst Dir das viele Reden also schenken. Stattdessen nimmt es Deine Körperhaltung und Deinen Tonfall wahr. Mach Dir das zunutze und wirke so beruhigend auf Dein Kind ein!

#3 Ruhig bleiben und klare Haltung zeigen

Bleib ruhig und in Deiner Haltung klar! Kinder brauchen die Sicherheit, dass ihre Eltern den Rahmen halten, egal was sie tun. Das ist gar nicht so leicht. Hier dürfen wir reflektieren, wo unsere eigenen Grenzen sind und wie wir sie möglichst klar und eindeutig für uns und unsere Kinder formulieren.

#4 Das kindliche Gefühl anerkennen

Erkenne das Gefühl Deines Kindes an! Das heißt, dass Du Dein Kind in dieser Situation ernst nimmst. Im Umkehrschluss bedeutet es, sich nicht über sein Gefühl lustig zu machen.

#5 Empathie, Empathie, Empathie

Sei empathisch! Erschaffe eine Ja-Haltung für Dich und Dein Kind! Wie das? Diese Technik hat verschiedene verschiedene Bezeichnungen: Ich-Hypnose (Elke Schicke), Empathieschleife (Kathy Weber) oder auch Spiegeltechnik.

In Anlehnung an die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg geht es bei dieser Technik darum, sich in das Kind und seinen aktuellen Zustand einzufühlen. Du versuchst, Deinem Kind zu vermitteln, dass Du verstehst, wie es ihm gerade geht.

Sprich leise und ruhig mit ihm. Wiederhole, was es sagt. Verwende das Wort „ja“. Fühl Dich ein. Sei präsent. So spiegelst Du seine Emotionen, und dadurch fühlt es sich verstanden.

Bei einem Kindergartenkind: Ah, ich sehe, Du bist sauer/frustriert/wütend. Ja, ich verstehe. Du möchtest so gern XY. Ja, das ist frustrierend. Weil das einfach so schön ist, jetzt XY zu tun. Hmh. Ja, das ist wirklich toll, nicht wahr?! Ja. Ich weiß.

Bei dem Krippenkind mit dem Becher: Becher. Ja! Ja! Becher haben. Becher. Ja! Ja! Dein Becher. Nicht da. Ja!

Dein Kind fühlt sich angenommen, verstanden und kann sich beruhigen.

Es kann sein, dass es noch nicht reicht und Dein Kind erneut wütend wird, weil es die eine Sache immer noch (tun) möchte. Dann sprichst Du wieder beruhigend und einfühlsam mit ihm. Daher der Name „Empathieschleife“. Möglicherweise musst Du das auch noch ein drittes oder viertes Mal tun, aber von Mal zu Mal wird Dein Kind ruhiger, bis es sich vollständig beruhigt hat.

Manchmal hilft auch ein kleiner Ortswechsel, also schlicht aus der Situation herausgehen, was nicht heißt, das Kind abzulenken, sondern lediglich den auslösenden Rahmen zu verlassen und ein neues Setting zu erschaffen.

Zum Abschluss: Was brauchen unsere Kinder?

Unsere Kinder brauchen Anerkennung und Liebe. Sie möchten mit ihren Gefühlen und ihrer ganzen Person angenommen werden. Dabei geht es um die Versicherung, dass sie bedingungslos geliebt werden – no matter what.

Ich weiß, wie unglaublich herausfordernd es ist, einen kindlichen Wutanfall zu begleiten, vor allem ohne selbst auszuflippen bzw. die Situation weiter zu eskalieren. Das ist ein Thema, das ich hier im Blog noch beleuchten werde: Wie gehe ich als Elternteil mit meiner eigenen Wut um.

 

Jetzt wünsche ich Dir aber erst mal viel Geduld und Verständnis!
Alles Liebe,

Deine Susanne

 

Welche Erfahrungen mit kindlicher Wut hast Du gemacht? Was funktioniert bei Deinem Kind? Schreib es doch gern in die Kommentare!

 

Zum Weiterlesen oder Hören:

Blog Gewünschtestes Wunschkind

Blog Geborgen wachsen

Blog Langsam.Achtsam.Echt

Podcast ELTERNgespräch, 19. Mai 2020, Folge 91, Eure Fragen: Wutanfälle

Podcast Kathy Weber